Marc Wäckerlin
Für eine libertäre Gesellschaft

Für mehr Freiheit, weniger Staat und weniger Demokratie dank dem Nichtaggressionsprinzip

Februar 1, 2017

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Jeder Mensch, jedes vernunftbegabte Wesen, gehört nur sich selbst, das heisst, dass kein Mensch das Recht hat, über einen anderen Menschen zu bestimmen. Um das Leben zwischen den Menschen friedlich zu organisieren, reicht eine einzige generell durchzusetzende Regel, das Nichtaggressionsprinzip. Es ist meines Erachtens die einzige Regel, die eine Berechtigung hat, universelles Gesetz zu sein. Sie schliesst ein, dass ich Dich nicht angreife, weder physisch noch in Deinem Besitz, aber auch, dass ich meine Verträge einhalte. Alles andere können Menschen frei unter sich aushandeln. Darüber hinaus gehende Gesetze oder Vorschriften, sind eine überflüssige Einschränkung meiner Freiheit und somit ein Unrecht.

Letztlich bedeutet jedes Gesetz, jede Regel, jede obligatorische Moral Gewalt, denn irgendwer wird es durchsetzen, und wenn er auf Widerstand stösst, dann wird er zu Gewalt greifen. Das heisst, um Gewalt zu reduzieren, muss man Regeln reduzieren. Heute noch gehen Staaten mit ihren Gesetzen viel zu weit, auch wenn die modernen Rechtsstaaten deutlich liberaler geworden sind.

Das Nichtaggressionsprinzip erlaubt allen Menschen, sich ohne Grenzen frei zu bewegen, frei Handel zu treiben, frei beliebige Verträge einzugehen, u.s.w. Damit darf z.B. auch der Handel mit Betäubungsmitteln oder Prostitution nicht eingeschränkt werden, solange alle Beteiligten freiwillig handeln. Für jeden Handel braucht es mindestens zwei, die einwilligen. Es muss daher erlaubt sein, jede Nachfrage zu befriedigen. Auch Wucherer oder Miethaie bedienen letztlich nur eine vorhandene Nachfrage. Dabei ist selbstverständlich Menschenhandel ausgeschlossen, der stellt schliesslich eine Aggression dar.

Streng libertär genommen schliesst das Nichtaggressionsprinzip auch das Eintreiben von Steuern aus. Jede Leistung muss freiwillig angenommen werden. Mit den Steuern zwingt uns der Staat aber seine Leistungen auf, egal ob wir sie im Einzelnen wollen oder nicht. Jeder wird gezwungen, Landwirtschaftssubventionen zu zahlen, Banken oder Fluggesellschaften zu retten, auch wenn er das nicht sinnvoll findet. In der Demokratie unterdrückt die Mehrheit die Minderheit. Wobei es nicht mal eine Mehrheit ist, denn die Mehrheit wählt und stimmt nicht. Im Mittelpunkt muss aber das Individuum stehen und nicht «die Mehrheit» oder sonst eine Gruppe.

Gewalt und Unterdrückung entsteht immer dort, wo man die Interessen einer Gruppe (Religion, Familie, Staat, «Mehrheit», «Allgemeinheit») über die Interessen Einzelner stellt. Alle bösartigen Systeme sind kollektivistisch, nicht nur der Sozialismus und der Kommunismus, auch der Nationalismus und der Nationalsozialismus, der Islam, der Katholizismus, das «traditionelle Familienmodell», das Patriarchat, die Monarchie, u.s.w., das was die brutalsten Systeme ausmacht, die Gemeinsamkeit von islamischen, kommunistischen und nationalsozialistischen Diktaturen, ist die Allmacht des Staates über die Wünsche und Bedürfnisse des Einzelnen. Das vermeintliche Wohl eines Kollektivs wird über das Wohl einzelner Menschen gestellt. So gesehen gibt es keinen Unterschied zwischen Kommunismus, Sozialismus, Nationalismus und Religionen. Kollektivismus ist das Grundübel dieser Welt. Individualismus, die Wertschätzung und Gleichwertigkeit jedes Einzelnen kann uns vor der Gewalt befreien.

Nur wenn jemand gegen das Nichtaggressionsprinzip verstösst, ist das nach meiner Auffassung die einzige Situation, in der ich das Recht habe, ihn mit Zwang und Gewalt daran zu hindern. Wehren darf ich mich auch unter dem Nichtaggressionsprinzip. Das ist tatsächlich wichtig, denn sonst funktioniert es nicht.

Grundsätzlich kann ich dieses Recht selbst wahrnehmen, oder delegieren. Das heisst, auch mit ganz striktem Nichtaggressionsprinzip ist es möglich, dass wir uns zu einer gemeinsamen Gesellschaft zusammen schliessen, und dieser das Recht übertragen, unsere Freiheit zu schützen. Ich halte das in der Regel auch für sinnvoller, als meine Freiheit selbst zu verteidigen, denn dann müsste ich immer der Stärkere sein. Wir können diese Gemeinschaft auch «Staat» nennen. Dieser Staat darf aber im Gegensatz zu heute nur dann gegen Nichtmitglieder vorgehen, wenn diese eine Aggression gegen seine Mitglieder ausführen, er darf seine Mitglieder vor Aggression schützen, aber nicht mehr. Wir dürfen niemanden zwingen, gegen seinen Willen unserem Staat beizutreten; umgekehrt können wir aus unserem «Staat» auch austreten und z.B. einen neuen gründen oder einem anderen beitreten, wenn wir finden, dass unser Staat nicht mehr richtig handelt. Der «Staat» ist in dem Fall eine freiwillige Vereinigung.

Das heisst, in voller Konsequenz führt das Nichtaggressionsprinzip zur Anarchie, zur Abschaffung des Staates zu Gunsten freiwilliger Organisation, denn letztlich ist jeder Staat im Kern immer eine Aggression.

Man kann auch das Nichtaggressionsprinzip aufweichen und einen Minarchismus vertreten: Ein minimalistischer Staat, immer noch ein Zwangsstaat, der sich aber allein auf die Umsetzung des Nichtaggressionsprinzips beschränkt. Beispielsweise vertrat Ayn Rand (bekannt durch ihr Buch «Der Streik», orig. «Atlas Shrugged») einen solchen Minimalstaat. Meiner Meinung nach ist das ein pragmatisches und realistisches Modell, das wir jetzt politisch anstreben können. Zumindest wäre es ein möglicher Zwischenschritt, mit dem wir Erfahrungen sammeln könnten, bevor wir den Staat abschaffen und ganz zum Anarchismus über gehen.

Demokratie ist hingegen keine Lösung. Bei der Demokratie bestimmt die vermeintliche «Mehrheit» als Kollektiv über den Einzelnen. Doch selbst «demokratische Mehrheit» ist ein Märchen. Angenommen die Stimmbeteiligung ist 40% und die Zustimmungsrate ist 60%, dann haben gerade mal 24% zugestimmt. Ausserdem bleibt Demokratie selbst bei einem absoluten Mehr immer eine Diktatur der Mehrheit über die Minderheit. Hinzu kommt, dass nur über die allerwenigsten Vorschriften überhaupt abgestimmt wird. Das Meiste kommt als Verordnung aus der Verwaltung oder der Regierung, oft sogar ohne Einbezug des Parlaments. Auch ein Parlament ist eine schlechte Lösung: Es ist eine Zwangsdelegation ohne Weisungsrecht. Das heisst, ich darf meine Interessen nicht selbst vertreten, sondern ich darf maximal jemanden wählen, der für mich meine Interessen vertreten soll. Nur habe ich kein Weisungsrecht der Person gegenüber, die ich gewählt habe, denn diese darf tun, was sie will, unabhängig davon, was ich will. Ausserdem habe ich keine Garantie, dass überhaupt eine Person, die auf meinen Listen stand, ein Mandat bekommt. Alles in allem ist ein Parlament nur eine andere Form der Diktatur, die über mich fremd bestimmt, ohne dass ich einen messbaren Einfluss habe.

Ich stimme zu, dass die Demokratie die beste aller schlechten Lösungen ist, aber sie ist dennoch eine sehr schlechte Lösung. Das geht auch besser, davon bin ich überzeugt. Mein erster Lösungsansatz dazu ist, dass der Entscheidungsspielraum des Staates, damit der Politik und der Demokratie grundsätzlich eingeschränkt wird.

Russland, Türkei, Ungarn, Polen, Italien, sie alle beweisen, dass man die Demokratie auch locker dazu missbrauchen kann, den «Rechtsstaat», die Freiheit und die Demokratie abzuschaffen. Die USA zeigt, wie sehr man die «Demokratie» pervertieren kann, zur Wahl zwischen warmer und kalter Scheisse. Demokratie kann daher nicht die letzte Lösung sein.

Der Staat ist ein Aggressor, wenn auch in dicken Samthandschuhen. Walter Bock sagte in einem Interview: «[Die Regierung ist notwendigerweise eine Ausnahme im Nichtaggressionsprinzip.] Zum einen, Steuern. zum anderen verlangt sie ein Monopol der Verteidigungsdienstleistungen – Armee, Gerichte und Polizei – in einem bestimmten geographischen Gebiet. Und beides sind Verletzungen des Nichtaggressionsprinzips. Die Leute zu besteuern ist ganz sicher ein Verstoss – Besteuerung ist Raub. Es geschieht mit vorgehaltener Waffe. Wenn du deine Steuern nicht zahlst und, wie du ja gesagt hast, wenn du lange genug Widerstand leistest, ich meine, sie werden dich nicht gleich töten, nur weil du deine Steuern nicht bezahlst. Das erste, was sie tun werden, ist, dir einen netten kleinen Brief zu schreiben: ‹Hey, hast du das vergessen? Es ist schon der 15. April. Bitte zahlen Sie Ihre Steuern.› Und wenn du das ignorierst, schicken sie dir einen zweiten und einen dritten Brief, sie eskalieren langsam. Und wenn du sie weiter ignorierst, wird eines Tages jemand sehr höflich an deine Tür klopfen, und ein sehr höflicher Polizist wird sagen: ‹Bitte erscheinen Sie vor Gericht.› Und wenn du Widerstand leistest, werden sie dich schnappen. Und wenn du immer noch Widerstand leistest, dann werden sie dich erschiessen. Die eiserne Faust steckt also in einem sehr dicken Samthandschuh. Und eine Menge Leute sagen, na ja, weisst du, wenn du von der Polizei auf der Strasse angehalten wirst, sie sind sehr, sehr höflich. Der Samthandschuh ist also sehr dick, und viele Leute sehen nicht, dass darunter diese eiserne Faust der Aggression steckt.»

Dabei wäre es gar nicht notwendig, meist braucht es keinen Zwang, sondern man kann jedem individuell die Wahl lassen.

Beispiel Sozialstaat: Die einen können nicht genug Sozialstaat bekommen, die anderen wollen auch einen sozialen Staat, aber in Minimalausführung, wieder andere wollen Sozialleistungen nur für ihre Gruppe und die wenigsten wollen gar nichts.

Mal ganz ohne Moralkeule oder Bewertung, im Prinzip ist alles möglich.

Heute wird darüber abgestimmt, und die Gruppe, welche eine hauchdünne Mehrheit stellt, bestimmt über alle und zwingt ihren Willen allen auf.

Das finde ich völlig falsch und es führt zu grossen Konflikten: Weil sich die Menschen fremdbestimmt fühlen (und es tatsächlich auch sind), laufen sie populistischen und rechtsextremen Bewegungen in die Arme. Wenn einer findet, er werde im Vergleich zu Flüchtlingen benachteiligt, wäre es doch klüger, ihm zu ermöglichen, in eine Sozialkasse nur für Deutsche einzutreten, anstatt ihn in die Arme von Rechtspopulisten zu treiben. Und das braucht man gar nicht zu moralisieren: Wenn das sein Wunsch ist, soll er das so haben. Es gibt ja viele Menschen, die gerne etwas für Flüchtlinge tun, während andere nichts zahlen wollen. Also soll doch einfach jeder tun, was er für richtig hält: Wer Flüchtlinge unterstützen will, soll das tun, wer nicht will, soll es nicht tun. Das vermeidet völlig unnötige Konflikte und Gräben in der Gesellschaft. Einzig müssen sich gewisse Weltverbesserer damit abfinden, dass sie nur noch über ihre eigenen Handlungen entscheiden dürfen und nicht mehr anderen vorschreiben können, wie sozial sie zu sein haben.

Und die Sozialhilfe könnte man sehr gut als Versicherung im freien Markt lösen: Jeder kann selbst entscheiden, ob, bei wem und zu welchen Bedingungen er sich versichern lässt. Jeder kann selbst entscheiden, mit wem er wie solidarisch sein will. Wenn jemand keine Versicherungslösung nach seinem Geschmack findet, kann er dank des freien Markts (die FinMa ist inzwischen auch abgeschafft oder optional) eine eigene Versicherung gründen, die genau sein Marktsegment abdeckt. Findet er Unterstützer und Kunden, so kriegt er nicht nur was er will, sondern verdient auch noch gutes Geld damit. Ansonsten war seine Vorstellung halt doch zu speziell und geht unter. So kriegt jeder, was er will und was ihm angemessen erscheint. Und wer es nicht am Markt kriegt, darf sich selber organisieren, ganz ohne jeglichen Zwang. Natürlich auch mit der Konsequenz, dass jeder auch nur die Leistung kriegt, die er gewählt und bezahlt hat. Freiheit bringt immer auch Verantwortung. Doch ich bin überzeugt, viele Menschen, unter anderem auch ich selbst, würden in einen Fonds einzahlen, um denen aus der ärgsten Not zu helfen, die zu dumm waren, selber gut vor zu sorgen.

Dieses Modell bedingt selbstverständlich ein positives Menschenbild. Man muss aufhören zu glauben, dass man nur selbst ein guter Mensch sei, alle anderen Menschen aber schlecht, und dass man nur selbst solidarisch sei, aber alle anderen Menschen zur Solidarität zwingen müsse. Doch ein positives Menschenbild ist gerechtfertigt. Der Mensch ist ein sehr soziales und weitgehend hilfsbereites Lebewesen. Das beweisen allein die Milliarden an freiwilligen Spenden an wohltätige Organisationen. Nimmt man den Zwang weg, via Steuern und Staat wohltätig sein zu müssen, wird die freiwillige Wohltätigkeit einen gewaltigen Schub nach vorne erhalten — und das ist auch ein gewaltiger moralisch / ethischer Fortschritt!

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Guten Tag

Ihre Gedanken finde ich spannend. Mich interessiert folgendes. Sie schreiben, man müsse nur das Nichtaggressionsprinzip durchsetzen. Und Sie schreiben, letztlich bedeute jedes Gesetz, dass es jemand durchsetzen müsse, was zur Gewalt führe. Ich sehe hier folgende Probleme:

1. Wie setzt man dann das Nichtaggressionsprinzip durch?
2. Wer setzt es durch?

Denn schon bei wenigen Tausend Personen, wird sich jemand finden, der sich nicht daran hält.

Freundliche Grüsse
Yves

Lieber Yves

Das sind gute Fragen. Eines ist klar: Auch die Durchsetzung des Nichtaggressionsprinzips braucht Gewalt. Aber es wäre dann die einzige verbleibende Rechtfertigung zur Anwendung von Gewalt. Es gibt verschiedene Ansichten, wie das Nichtaggressionsprinzip durchgesetzt werden kann. Grundsätzlich hat jeder Mensch das Recht, sich selbst zu wehren, also ein Notwehrrecht. Nun will aber nicht jeder selbst sein Recht durchsetzen, und es kann das auch nicht jeder. Ausserdem können sich Tote nicht mehr wehren, trotzdem soll ein Mord nicht ungestraft möglich sein. Eine Möglichkeit ist es, den Staat nicht vollständig abzuschaffen, sondern ihn darauf zu beschränken, das Nichtaggressionsprinzip durchzusetzen. Andere sind der Meinung, dass es auch keinen Minimalstaat braucht, sondern dass es private Rechtsschutzversicherungen gibt, die Streitigkeiten zwischen ihren Klienten untereinander klären. Ich persönlich tendiere mehr zur Lösung mit dem Minimalstaat. Aber soweit, dass wir darüber diskutieren müssen, sind wir noch lange nicht.

So oder so ändert sich das Rechtssystem stark, denn es gibt keinen Grund mehr jemanden zu bestrafen, vielmehr hat jemand mit dem Verstoss gegen das Nichtaggressionsprinzip einer anderen Person einen Schaden angerichtet. Dann geht es darum, diesen Schaden so weit möglich wieder gut zu machen. Das heisst, im Zentrum steht Schadenersatz, Wiedergutmachung, Kompensation und nicht mehr Strafe, Rache, Sühne. Das ist zwar nicht immer möglich, in vielen Fällen aber schon. Wenn Du jemanden verletzt, musst Du z.B. für die Heilungskosten aufkommen, den Arbeitsausfall bezahlen und ein Schmerzensgeld entrichten, statt einfach nur ins Gefängnis zu gehen, wie heute. Das hat den Vorteil, dass sich ein Täter mit dem Opfer und dem Schaden auseinander setzen muss, den er angerichtet hat. Die Menschen müssen lernen, für ihre Handlungen die volle Verantwortung zu tragen, im Guten, die im Schlechten.